· 

Mariann Bühler: Verschiebung im Gestein (Atlantis, 2024)

Worum geht’s?

Nach dem Tod ihres Mannes Jakob hat Elisabeth seine Bäckerei übernommen. Endlich kann sie mit Brotrezepten experimentieren und muss sich nicht mehr an die starren Vorgaben ihres Mannes halten, der Angst vor jeglicher Veränderung hatte.

 

Alois muss nach dem Tod seiner Mutter den elterlichen Hof (samt Vater) übernehmen, ob er will oder nicht. Sein Umfeld erwartet, dass er eine Frau findet und heiratet, er aber träumt vom Reisen.

 

Und dann ist da noch eine dritte Stimme, die im Roman mit «du» angesprochen wird. Es ist eine Frau, die zu ihren Grosseltern fährt. In Rückblenden erfahren wir, dass sie sich als Kind vor Ruth fürchtete, die eine Klasse über ihr war und sie mobbte. Ruth wiederum ist die Tochter von Elisabeth. Sie zog mit achtzehn von Zuhause aus und kehrte erst als Erwachsene ins Dorf zurück, aber nicht etwa zu Elisabeth, sondern zu Alois auf den Hof.

 

So ist das Schicksal der drei Protagonist:innen locker miteinander verwoben.

 

Was mir am Buch besonders gefällt

Die Autorin erzählt in nicht chronologischer Reihenfolge aus dem Leben der drei Personen, scheinbar zufällig angeordnet, unterbrochen durch kurze geologische Kapitel über das Tal. Der Titel nimmt nicht nur darauf Bezug, sondern auch auf die «Verschiebungen» in den Lebensbiographien von Elisabeth, Alois und dem «du». Sie alle brechen auf, werden weicher, beginnen, sich zu verschieben. Die sorgfältige Konstruktion des Romans erinnert an Schichtungen des Gesteins, die verschiedenen Biographien werden übereinandergelegt. Am Schluss ist vieles offen und somit vieles möglich.

 

Ein leiser, sprachmächtiger Roman.

 

Originalton aus dem Buch

Der Zug ist abgefahren. Du rauchst eine Zigarette, steigst in den nächsten. Gleisfeld, Stahltulpen, Glashaus ziehen vorbei, Wiesenpausen zwischen den Häusern. Der Zug fährt durch Stadt, Vorstadt, Industriegebiet, Kleinstadt um Kleinstadt. Fährt an wegrationalisierten Bahnhöfen vorbei und hält auf Verlangen, wo sie noch im Konkursverfahren feststecken.

 

Die Reihenfolge der Ortsnamen kannst du beten wie das Vaterunser. Auf -will folgt -au folgt -wangen folgt -husen folgt -see, auch wenn da nur ein Teich ist. Die Kirchen sind in den Dörfern geblieben, die Höfe zwischen den Hügeln, der leere Raum dazwischen ist aufgefüllt mit pastellfarbenen Einfamilienhäusern.

Litum – Literatur und Sprache

Kontakt

Im Moos 4

5210 Windisch

Schweiz

 

E-Mail