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Yusuf Yeşilöz: Der Libellenspiegel (Limmat Verlag, 2024)

Worum geht’s?

Der kurdisch-schweizerische Schriftsteller schliesst mit diesem Buch seine Beyto-Trilogie ab. Im ersten Teil, Hochzeitsflug, erlebten wir mit, wie Beytos Eltern, die in einer Schweizer Stadt einen Kebabladen betreiben, von seiner Homosexualität erfahren. Unter einem Vorwand locken sie ihn in den Sommerferien nach Hause in die Türkei, wo sie ihn mit seiner Cousine und Jugendfreundin Sahar zwangsverheiraten. Im zweiten Teil, Die Wunschplatane, geht es um Beytos Eltern Narin und Safir und deren Herkunft. Im Libellenspiegel nun rückt Sahar ins Zentrum. Wir erfahren aus ihrer Sicht, wie sie die Heirat mit ihrem Jugendfreund Beyto im ländlichen Dorf in der Türkei erlebt, wie sie dann alleine und ängstlich nach Zürich fliegt und am Flughafen nicht von Beyto abgeholt wird, weil dieser beschlossen hat, nicht länger mitzuspielen, sondern nach London zu fliehen und dort ein neues Leben aufzubauen. Sahar bleibt bei ihren Schwiegereltern in der Schweiz und erzählt ihnen zuliebe über ein Jahr lang niemandem im türkischen Heimatdorf, dass Beyto verschwunden ist.

 

Dann verliebt sich Sahar in Michael und wird schwanger. Sie versucht alles, damit Beytos Familie ihre Tochter und ihren Partner akzeptiert. In einer Schneiderei lernt sie Juana kennen, die ebenfalls ein Schicksal aus Einsamkeit, Tradition, Verlust und Tabus hinter sich hat. Die beiden jungen Frauen freunden sich an. Beyto nimmt wieder Kontakt mit Sahar auf und versucht zu erklären, warum er abgehauen ist und warum er nicht einfach zurückkehren kann, damit sie sich scheiden lassen und Sahar Michael heiraten kann.

 

Was mir am Buch besonders gefällt

Hochzeitsflug, Die Wunschplatane und Der Libellenspiegel sind eigenständige Geschichten, man kann irgendwo beginnen und die anderen zwei Bücher später lesen, wenn man möchte. Der erste Teil wurde unter dem Namen Beyto verfilmt.

 

Der Libellenspiegel beschreibt eine migrantische Schweizer Realität, die zerrissen ist zwischen verschiedenen Kulturen und sich widersprechenden Normen. Dieser dritte Teil hat einen versöhnlichen Ton. Langsam, aber sicher findet Sahar aus der Opferrolle heraus und entwickelt sich zu einer starken, eigenständigen Frau. Es ist interessant zu lesen, wie sich Sahar nach Beytos Flucht nicht einfach zurück nach Hause schicken lässt, weil sie nicht das Leben einer verschmähten Frau in der Türkei führen will, sondern dass sie Wünsche und Träume hat, die sie in der Schweiz verwirklichen möchte.

 

Yeşilöz’ Sprache ist blumig, bildreich und von Dialogen geprägt. Ich fühlte mich einerseits ganz nah an den Protagonistinnen dran, andererseits aber auch wieder distanziert aufgrund des mir etwas fremden Tones. Manchmal fand ich die detaillierten Erklärungen etwas lang, doch ich schätze den Einblick in dieses migrantische Leben sehr.

 

Originalton aus dem Buch

(Telefongespräch zwischen Sahar und Beyto)

 

«Beyto, nachdem du weggegangen bist, habe ich jeden verfügbaren Satz über das Thema Homosexualität gelesen. Siebenundachtzig Prozent der Menschen unseres Landes wollen nicht mit Schwulen benachbart sein. Siebenundachtzig Prozent! Das ist nicht wenig. Wie kannst du von Narin und Safir erwarten, dass sie so liberal denken wie aufgeklärte Menschen? Michael sagte kürzlich etwas, was mir logisch vorkam. Du hättest sehr früh anfangen müssen, deine Eltern einzuweihen.»

 

«Aus der Position deines Lovers ist das einfach gesagt. Er kennt unseren Hintergrund nicht.»

 

«Du hättest dich schon im Dorf weigern müssen, mich zu heiraten, noch bevor die Hochzeit stattgefunden hat.»

 

«Das habe ich auch versucht! Mein Vater wurde daraufhin so zornig, als würde er einen Löwen zähmen. Er nahm meine Papiere zu sich. Seine Drohung, mich zum Militär zu schicken, erschütterte mich zutiefst. Ich hatte Panik, im Militär als Homosexueller dranzukommen, kurz vorher hatte ich über einen Fall gelesen, bei dem einige Männer einen homosexuellen Jungen missbraucht hatten. Im Nachhinein habe ich mich schlau gemacht und herausgefunden, dass Safir gar nicht befähigt gewesen wäre, mich zum Militär zu schicken. Ich habe ihm damals aber geglaubt; ich war naiv, Sahar, wirklich naiv.»

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