Worum geht’s?
In ihrem vorhergehenden Roman Die Wut, die bleibt hat Mareike Fallwickl ihrer Protagonistin Lola folgende Worte in den Mund gelegt: «Ich hab mich gefragt, was wäre, wenn alle Frauen sich verweigern würden […] wenn sie nichts mehr tun würden, gar nichts, nicht zur Arbeit gehen, nicht kochen, nicht putzen, sie würden keinen Bus lenken und kein Hemd bügeln, nicht an der Supermarktkasse sitzen und keine Klasse unterrichten, sie würden einen umfassenden Stillstand erzwingen und sagen: Das sind unsere Körper, unsere allein, und wenn ihr glaubt, sie gehören euch, dann wollen wir doch mal sehen.»
Aus dieser Idee ist Und alle so still entstanden, ein Roman über Verweigerung, der aufzeigt, wie die Welt sich ändern könnte.
Wir bekommen die Geschichte aus der Perspektive von drei Protagonist:innen erzählt, deren Schicksale lose miteinander verknüpft sind: Elin, Anfang zwanzig, erfolgreiche Influencerin, die mit vielen Männern schläft; Nuri, neunzehn, Schulabbrecher, Fahrradkurier und Barkeeper, der leider ein paar Zentimeter zu klein geraten ist; und Ruth, Mitte fünfzig, Pflegefachkraft im Krankenhaus mit unerschöpflichem Pflichtgefühl. Elin wohnt in einem Wellnesshotel, dessen Managerin ihre Mutter ist. Als Influencerin verdient sie an einem System, an das sie eigentlich nicht glaubt. Nuri ist der Sohn einer Sri-Lankischen Mutter und eines patriarchalischen Vaters, beide aus prekären Verhältnissen und arbeitslos, sie stehlen ihm seinen hart verdienten Lohn aus seinem Zimmer. Ruth wohnt mit Barbara in einem Haus, das später zur Zentrale für den Widerstand der Frauen wird.
Zwischendurch gibt es in unregelmässigen Abständen eine «Berichterstattung», eine scheinbar neutrale, auktoriale Erzählstimme. Dann melden sich auch noch eine Pistole und eine Gebärmutter zu Wort. Somit wartet man von Anfang gespannt auf den Moment, in dem die Pistole benutzt wird.
Die Erzählung verläuft linear, beginnt an einem Freitag und endet am darauffolgenden Freitag mit einem Schuss. Der Inhalt ist schwierig zusammenzufassen. Es geht um Care-Arbeit, um Frauen, die streiken, sich plötzlich auf die Strasse legen und nicht mehr aufstehen.
Was mir am Buch besonders gefällt
Die klare Sprache, die den politischen Auftrag klar durchscheinen lässt, die utopische Idee und der feministische Ansatz. Fallwickl will die Bedeutung der von Frauen geleisteten Fürsorgearbeit hervorheben. Dass sie dabei die Frauen überhöht und die Männer abwertet, wird von einigen Rezensent:innen als «feministischer Kitsch» abgetan. Ich habe es trotzdem mit Genuss gelesen.
Das utopische Fazit des Buches im Originalton:
Das Verweigern hat die Zukunft geöffnet, und jetzt.
Jetzt ist sie offen.