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Gabriella Santos de Lima: Jetzt sind wir endlos (Loewe Intense, 2024)

Kurzer Exkurs: Was ist New Adult?

New Adult ist ein Genre, das gerade mit pastellfarbenen Covers die Regale der Buchhandlungen erobert. Die Übersetzung aus dem Englischen ist schlicht «Neue Erwachsene». Dies bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Zielgruppe der Romane. Die Protagonistinnen und Protagonisten sind meistens junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren, die mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sind. Es werden Themen aufgegriffen, die die Zielgruppe bewegen: Liebe und Sexualität, Probleme im Job, an der Uni, mit der Familie und mit Freunden. Auch ernstere Themen sind beliebt wie mentale Gesundheit, Gleichberechtigung, Diskriminierung, Sucht, sexuelle Selbstbestimmung und aktuelle politische Themen.

 

Teilweise wird New Adult als Unterkategorie von Liebesromanen definiert, es gibt aber auch New-Adult-Romane im Fantasy-Bereich und anderen Genres.

 

Typisch für New-Adult-Bücher sind ein Mix aus Liebe und Drama, grosse Gefühle, explizite Sex-Szenen und die Tatsache, dass die Bücher oft als Reihen erscheinen, aber auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Das Happy-End gehört meistens dazu.

 

Oft sind die Bücher aufwändig gestaltet, mit Farbschnitten und beigelegten Postkarten mit den Hauptpersonen drauf.

 

Worum geht’s in Jetzt sind wir endlos?

Die 22-jährige Kunststudentin Amanda möchte ihr Leben ändern, mehr wagen, sich nicht immer so grau fühlen. Offenbar finden viele sie sehr attraktiv, sie selbst hadert aber mit ihrem Körper. Sie hat noch nie Sex gehabt, obwohl sie das gerne möchte.

 

Bei ihrem Nebenjob in einem hippen Café trifft sie zum ersten Mal auf Émil, der dort für eine Mischung aus Junggesellinnen-Abend und Art Night modelt – und zwar nackt. Am gleichen Abend trifft sie ihn auf einer Party wieder und erfährt, dass er ein guter Freund ihres Bruders ist.

 

Émil ist 24, Künstler, hat gerade eine Schaffenskrise und schlägt Amanda vor, sie könnten sich ja gegenseitig malen. Wie bereits erwähnt, gehört das Happy End bei New-Adult-Büchern dazu, und selbstverständlich bleibt es nicht beim Malen. Nach vielen Hindernissen und Missverständnissen, die überwunden werden müssen, kommen die beiden am Schluss des Buches endlich zusammen. Doch der Weg dorthin ist steinig. Auf der letzten Seite steht denn auch: «Jetzt sind wir endlos enthält potenziell triggernde Inhalte. Diese sind: Manische Depressionen, Manie, körperdysmorphe Störung. Ihr solltet das Buch also nur lesen, wenn ihr emotional mit diesen Themen umgehen könnt. Falls es euch mit diesen genannten oder auch anderen Themen nicht gut geht, findet ihr unter der Nummer der Telefonseelsorge rund um die Uhr kostenlose und anonyme Hilfe.»

 

Was mir am Buch besonders gefällt

Jetzt sind wir endlos ist ein typisches New-Adult-Buch. Es ist der dritte Band der Jetzt-Trilogie, kann aber bestens allein gelesen werden. Man vermutet, dass Nebenfiguren des Buches in früheren Bänden eingeführt wurden. Das kann Lust darauf machen, Band 1 und 2 auch zu lesen, der Roman ist aber in sich geschlossen.

 

Der Plot ist nicht wirklich überraschend, doch mir gefällt die Meta-Ebene des Romans, also die Art, wie im Roman immer wieder über das Schreiben geschrieben wird. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch optisch in durchgestrichenen Sätzen, die – so kann man nur vermuten – Gedanken sind, die Amanda wieder aus ihrem Gedächtnis löschen möchte.

 

Amanda denkt viel über weibliche Selbstermächtigung nach. Sie ist Feministin, illustriert eine Website, die Mädchen bestärkt, für sich einzutreten, sich stark und schön zu fühlen, ihren Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Sie selbst handelt aber überhaupt nicht nach diesem Prinzip. Sie hadert mit ihrem Körper, fühlt sich nicht schön genug, nicht dünn genug. Zwar ärgert sie sich darüber, dass sie immer wieder in diese «ich genüge nicht»-Falle tappt, doch ändern kann sie nicht wirklich etwas daran. Das lässt mich etwas zwiespältig zurück. Es fühlt sich bedrückend an, wie stark Amanda an ihrem – eigentlich ziemlich perfekten – Körper leidet. Doch eine Botschaft des Buches ist denn auch, dass die Grenze zwischen Female Empowerment und weiblicher Sozialisierung nicht so einfach zu überwinden ist. Gewisse Verhaltensmuster haben junge Frauen offensichtlich so verinnerlicht, dass sie sie nicht einfach abschütteln können, auch wenn sie noch so gern möchten.

 

Ich gehöre nicht zur primären Zielgruppe dieses Buches, denke aber, dass das Buch den Nerv vieler junger Frauen trifft, die mit sich hadern und auf dem Weg sind, sich selbst zu finden. Das jedenfalls lassen die vielen enthusiastischen Kommentare auf Social Media vermuten, wo Mädchen schreiben, Amanda spreche ihnen aus dem Herzen, sie fühlten sich mit ihren Selbstzweifeln und Unsicherheiten ernst genommen und gesehen.

Auch in diesem Roman gibt es Sex-Szenen, deshalb wird er ab 16 Jahren empfohlen, doch sie sind im Vergleich zu anderen New-Adult-Romanen eher diskreter beschrieben.

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